#1 Anthropologie Definitionen
Eriksen, Thomas: " Social and cultural anthropology has the whole of human society as its field of interest, and tries to understand the connections between the various aspects of our existence." ( SPLI: 1) Betont wird in dieser Defintion der Vergleich und Kontext der sozialen und kulturellen Variationen, ihre Gemeinsamkeiten, Dokumentation und Konzeptualisierung aus emischer und etischer Sicht. Er nennt als Beispiel die Wirtschaft der Tiv in Nigeria. Ethnologie und Anthropologie sind Geistes- und Sozialwissenschaften, deren wichtigste Methode die Feldforschung ist. Sie ist global, beschraenkt sich also nicht auf spezielle Regionen oder Geselschaften. Der sozialle und kulturelle Kontext steht im Vordergrund, wird mittels Empirie erfasst. Europaeische Gesellschaften werden, auszer in der Europaeischen Ethnologie, nicht thematisiert.
Levi- Strauss, Claude: " Anthropology has humanity as its object of research, but unlike the other human sciences, it tries to grasp its object through its most diverse manifestations" ( SPLI: 1). Levi- Strauss bietet einen komparativen Ansatz der Disziplin, untersucht die verschiedenen Manifestationen, rezente und historische kulturelle Erscheinungsformen, in religioeser, kultureller, gesellschaftlicher, politischer und oekonomischer Hinsicht. Ethnologie befasst sich mit allen Menschen, und ist eine Geisteswissenschaft.
Geertz, Clifford: " If we want to discover what man amounts to, we can only find it in what men are: and what men are, above all other things, is various. It is in understanding that variousness- its range, its nature, its basis, and its implications- that we shall come to construct a concept of human nature that, more than a statistical shadow and less than a primitivist dream, has both substance and truth. " ( SPLI: 2) Geertz spricht davon, besser qualitative Daten zu sammeln, als quantitative. Beziehungen zwischen und in Gesellschaften mittels Feldforschung und teilnehmender Beobachtung koennen einen Entwurf der menschlichen Gesellschaft beschreiben. Geertz ist ein " interpretive anthropologist", im Vordergrund stehen die Verschiedenheiten, Besonderheiten und Unterschiedlichkeiten der Menschen und der menschlichen Natur.
#2 Das Feld der Anthropologie
Die Anthropologie ist eine empirische und vergleichende Wissenschaft, deren Untersuchungsfeld nicht eine Gesellschaft ist, sondern internationale Forschung mit eigener Datenerhebung betreibt. Die historische Anthropologie beschraenkte sich auf schriftlose Gesellschaften, die rezente Anthropologie untersucht Gesellschaften weltweit. Die Voelkerkunde wurde um 1770 ( Goettingen, Deutschland) im Rahmen der Geographie und Geschichtswissenschaft, auch als Volkskunde, begruendet. Die Wissenschaft der " fremden Voelker" untersuchte das kulturelle Leben, inkludierte auch die Humanbiologie/ physische Anthropologie und Archaeologie. Aus dieser Zeit stammt zum Beispiel der veraltete Begriff des " Volksgedankens". Der Begriff " ethnos" ist unpraezise, weil Zugehoerigkeit zu einer Gesellschaft auch ueber Berufsgruppen definiert wird, zB Bambara in Mali.
1912 wurde an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien ein Lehrstuhl für "Anthropologie und Ethnographie" gegründet, auf den der Wiener Arzt Rudolf Pöch berufen wurde.
1929 gingen zwei Institute hervor, das für Völkerkunde und jenes für physische Anthropologie.
1998 Unter dem Aspekt zeitgenoessischer Forschungsfelder und eines kontextuellen Pluralismus erfolgte die Umbenennung des Instituts in " Institut der Kultur- und Sozialanthropologie". Rezente Forschungen thematisieren beispielsweise Ethnizitaet und Identitaet, problematische Themenfelder, denn die Begriffe sind unpraezise: Was ist eine Ethnie? Wer gehoert zur einer Ethnie? Was ist Identitaet? Was ist situative Identitaet?
Die Ethnology ist eine historische Wissenschaft, bedeutete Ende des 19. Jahrhunderts auch " Rassenkunde". Die Ethnographie ist die Beschreibung der Gesellschaften. In den USA existiert der 4 field approach ( Archaeologie, Humanbiologie/ Physische Anthropologie, Linguistik und Kulturanthropologie/ Ethnologie), Cultural Anthropology in den USA ist Social Anthropology in England. Im deutschen Sprachraum wird Anthropologie meist fuer Humanbiologie oder physische Anthropologie verwendet.
Die Begruender der Social Anthropology heiszen Malinowski, Bronislaw ( 1884- 1942) und Radcliff- Brown, Alfred R. ( 1881- 1955). Malinowski ist der Begruender der modernen Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung. Davor bestimmten vor allem sogenannte " armchair anthropologists", aber auch Kolonialbeamte, die Disziplin. Der Funktionalist Malinowski forschte in Trobriand, untersuchte die Institutionen und Strukturen einer Gesellschaft, deren Beziehungen zueinander, und die Funktion des Ritus, beispielsweise. Evans- Pritchard, Edward E. ( 1902- 1973) erforschte Sozialstrukturen bei den Azande und Nuer. Daraus ergibt sich, dasz die Sozialanthropologie von der " social anthropology" zu unterscheiden ist.
Frazer, James ( The Golden Bough) und Boas, Franz ( 1858- 1942) praegten die fruehe amerikanische Anthropologie, und zwar die Cultural Anthropology. Boas dachte, dasz die Sprache ein Schluessel zum Verstehen einer Gesellschaft ist. Er glaubte, dasz einzelne, untersuchte, Elemente nicht miteinander verglichen werden koennen, sondern dasz ein Vergleich von Kultur nur in einem Kontext moeglich sei. Boas sah den Evolutionismus der " armchair anthropologists" nicht als Wissenschaft, sondern vertrat einen historischen Partikularismus, in dem jede Kultur eigene Geschichte hat. Er stelle sich auch gegen Soziobiologismus, und argumentierte daher kulturrelativistisch.
#3 Feldforschung
Fruehe Reiseberichte, zB von Marco Polo und Sahagun, lieferten ethnographische Daten fuer europaeische Universitaeten. Die praktischen Feldforschungen Boas an der Nordwestkueste der USA und Radcliff- Browns bei den Andamanen, aber auch Frazers The Golden Bough, beeinfluszten Malinowskis Arbeit. Malinowski, Bronislaw lebte von 1884- 1942. Er war in Krakau geboren, reiste mit einem oesterreichischen Pass, und zog es vor, sich in London aufzuhalten. 1914 fand die Konferenz in Melbourne statt, und nach dem Ausbruch des ersten Weltkriegs, forschte Malinowski, als Oesterreicher in Schwierigkeiten, auf Trobriand, Hauptinsel Kiriwana, Salomon Inseln. Die Ethnologie war eine neue Wissenschaft, nachdem Malinowski seine Entwicklungen veroeffentlichte:
1. In der erforschten Gemeinschaft leben.
2. Konkrete Fragestellungen zum Verhaeltnis zwischen Religion, Magie oder Oekonomie. Methoden flexibel vorort anpassen.
3. Funktionalistischer Forschungsansatz, die ( damalige) Gegenwart der Trobriander betreffend.
4. Umgangssprache erlernen, um die Gedanken- und Gefuehlswelt der Gesellschaft zu verstehen.
5. Direkte Beobachtung des indigenen Lebens.
6. Diskursiver Schreibstil zur Praesentation der Theorien, Ergebnisse und Zusammenhaenge der Forschung.
Die teilnehmende Beobachtung, die Malinowski in " Die Argonauten des westlichen Pazifik" ( 1979 Frankfurt/ Main) als neue Feldforschungmethode beschrieb, wurde zur wichtigsten Arbeitsweise der Kultur- & Sozialanthropologen.
Kula/ Trobriand
Kula ist ein weit verbreitetes Tauschsystem, welches mit langen Ueberseereisen verbunden ist. Kula beruht auf Gegenseitigkeit, und ist in Beziehung zu anderen Phaenomenen zu verstehen, wie der Religion der Trobriander, die in einer ausgepraegten Hortikultur leben. Es gibt keine explizite Bezeichnung fuer Wirtschaft, das Prinzip der Gerechtigkeit ist Teil der Existenz. Die matrilinearen Soziaeteten gewaehren eine unabhaengige Position der Frauen, die aufgrund ihrer magischen Faehigkeiten groszen Einfluss haben. Der Mutterbruder ( MoBr) spielt eine entscheidende Rolle fuer die Kinder der Schwester ( Sr), der verpflichtet ist, das Wohl der Kinder in einer Vaterrolle zu lenken. Der biologische Vater ( Fa) steht fuer familiaere Gefuehle zur Verfuegung. Exogame ( Heirat auszerhalb des Clans) Clans mit gemeinsamen Ahnen und Totems, bilden Doerfer, in denen Maenner den groeszten Einflusz haben. Autoritaet ueber das Dorf hat der aeltere Clanchef oder Dorfchef. Tributpflichtige Doerfer muessen Produkte, auch fuer Feste, an den Haeuptling abliefern.
Es gibt rund achtzig Formen des Austausches, wie Gimwali, Laga, Pokala, Sagal und Kula, die in dem einbezogenen Inselsystem zwischen den Staemmen stattfinden. Intertribaler Kula Austausch im Uhrzeigersinn wird Soulava ( rote Muschelhalsketten) genannt, im Gegenuhrzeigersinn Mwali ( weisze Muschelarmbaender). Jede Transaktion ist genau festgelegt, ganzjaehrige Zeremonien zur Uebergabe werden vorbereitet. Gabe, Annahme und Gegengabe darf von bestimmten Maennern, aber nicht von Frauen, ueberreicht werden. Der zeremonielle Austausch endet nie. Sekundaere Aktivitaeten, wie Wissensweitergabe, Lieder singen, oder Geschichten erzaehlen, begleiten den Kula. Kula ist traditionelles Recht, verbunden mit magischen Riten, der die Menschen in Sprache und Kultur verbindet. Jedes Tauschobjekt hat eine bestimmte Geschichte, und befindet sich eine Zeit lang, ein bis zwei Jahre, in Besitz des Traegers. Kulapartner sind verpflichtet gerecht zu handeln, das Kulaobjekt wird zur Schau gestellt.
Vokabel:
Vaga- Eroeffnungsgabe
Yotile- Ausgleichsgabe
Basi- Zwischengabe
Kudu- Schlieszungsgabe
Expedition:
Toliwaga- Meister des Kanus
Usagelu- Mitglieder des Kanus
Silasila- junge Maenner im Kanu
Dad´u- kleine Soehne
Der Tauschpartner ist auch Beschuetzer, er gibt Unterkunft. Jeder Mann hat ca. zehn Kulapartner, Stammchefs oft an die 100, wobei entweder Halsketten oder Armbaender getauscht werden. Tauschpartnerschaften existieren ein Leben lang, der zeremonielle Tausch endet nie und geht auf Mythen zurueck. Der Austausch ist untrennbar mit Allianzpolitik verbunden, dieser inkludiert das wirtschaftliche und soziale Leben. Die Gabe, englisch " gift", ist Teil der gift economies. Gift economies verteilen Gueter zu einem unbestimmten Preis, um Freundschaft und Frieden zu gewaehren.
Gift Economies
Gift economies wurden von einigen Anthropologen untersucht:
1. Levi- Strauss, Claude schrieb in seinen " Traurige Tropen" ueber die Kriterien des gift- giving. Die Objekte des dreiteiligen Prozesses Gabe- Gegengabe- Geschenk, haben keinen bestimmten Preis und sollten nicht gleichzeitig gegeben werden. Reziprozitaet und Tausch ist die Basis fuer Levi- Strauss Kinshiptheorie.
2. Mauss, Marcel, ein Schueler und Neffe des Durkheim, Emil, schrieb ueber " Die Gabe" ( Essai sur le don, 1925). Mauss spricht von totalen sozialen Phaenomenen, die in allen Institutionen einer Gemeinschaft zum Ausdruck kommen. Sie betreffen Religion, Politik, Familie, Recht, Oekonomie, Moral, Konsumption, Produktion und aesthetische Phaenomene.
3. Strathern, Marilyn schreibt ueber " The Gender of Gift" ( 1988) und Weiner, Annette zu " Inalienable Possessions" ( 1992). Der Wohlstand eines Haeuptlings haengt vom Clan- Reichtum der Frauen ab, die vor allem bei Trauerzeremonien austauschen. Frauen sind mit ihren magischen Faehigkeiten an den Vorbereitungsarbeiten zu Kula beteiligt.
4. Eriksen, Thomas H. spricht von " exchange" ( SPLI: 176). Oekonomie kann in der Anthropologie auf zwei verschieden Weisen betrachtet werden. Die eine ist die systemische, bezogen auf Konsumption, Produktion und Distribution der materiellen und immateriellen Gueter einer Gesellschaft, die andere die " actor- centered", bezogen auf die Wertmaximierung der erhaeltlichen Gueter, Betrachtungsweise. Der Austausch von Yams hat nicht nur eine sozial verbindende Funktion, sondern auch politische Bedeutung, in Hinsicht auf Menge und Macht des Beschenkten.
Die britische Sozialanthropologie forderte, dasz eine Feldforschung mindestens ein Jahr dauern sollte, in abgeschlossenen Lokalitaeten. Erst die neuere Forschung untersucht ganze Netzwerke, zB einer Familie , und wird dabei von der Immigrationsforschung und Transnationalismusforschung unterstuetzt. Es ist notwendig, an mehreren Orten zu forschen, Stichwort: Globalisierung. Hannerz, Ulf moechte dabei auch die Wurzeln, roots & routes, untersucht wissen.
Die Konstruktion des Feldes
Wichtig ist es, das Feld einzugrenzen und zu fragen: Welche Menschen sollen erreicht werden? Welche Zielgruppe soll untersucht werden? Wie entsteht ein repraesentativer Querschnitt? Das Thema, die Fragestellung, soll praezisiert werden. Deduktive, von der Theorie zur Forschung zu den empirischen Daten, und induktive, von der Empirie zur Theorie, Methoden, sollen im Feld in einem wechselnden Verhaeltnis stehen ( SPLI: 28).
1. Amit, Vered: Publikation " Constructing the Field" ( 1999)
2. Taylor, Lawrence: Konstruktion des Feldes an der amerikanisch- mexikanischen Grenze. Er untersucht die politische Oekonomie, wie das Tunnelsystem, die Barackensiedlungen, die Mittelspersonen interagieren.
3. Levi- Strauss, Claude: Publikationen: Les Structures Elementaires de la Parante ( 1949), Tristes Tropiques ( 1953/ 1955), Anthropologie Structurale ( 1958), Le totemism aujourd´hui ( 1962/ 1965), Mythologiques I- IV ( 1971/ 1972/ 1973/ 1975) Levi- Strauss wurde in Bruessel geboren ( 1908), studierte die Rechte, Abschlusz der Philosophie. 1934- 1938 Professor fuer Soziologie in Sao Paolo, in dieser Zeit auch erste Feldforschungen. 1936 erste anthropologische Veroeffentlichung ueber die gesellschaftliche Organisation der Bororo. 1959 Lehrstuhl fuer Sozialanthropologie am College de France. Levi- Strauss betrachtete alle Kulturen als intellektuell ebenbuertig, verwendete verschiedene Methoden zu Problemloesung in der Forschung. Er praegte den Strukturalismus der 50er und 60er Jahre, seine Vorbilder hieszen nach Leach, Edmund, Frazer, James und Malinowski, Bronislaw. Wesentliche Themen seiner Forschung:
1. Verwandtschaftstheorie
2. Logik der Mythen
3. Theorie der Begriffsbildung
Traurige Tropen
In a. wissenschaftlicher Hinsicht, stellt Levi- Strauss fest, dasz die Gesellschaften in ihrer urspruenglichen Form nicht mehr existent sind. Die Grundfragen des Strukturalismus sind eine Ebene der " Tristes Tropiques", wie a.a Systeme der kulturellen Auszerungen, wie Braeuche einer Gesellschaft, a.b Anzahl der System sei begrenzt, a.c die Menschen schaffen nie etwas wirklich Neues, sie kombinieren nur bereits Vorhandenes, das zum Neuen wird. Er objektiviert diese Erkenntnis in Binaerpaaren und Beziehungsdreiecken. Er schreibt in diesem Werk auch ueber b. Reisen und Reiseerfahrungen, die er als Zwang und Muehe betrachtet. Forderung: Forschungsberichte statt Photoalben, die er als Effekthascherei bewertet. Fragen des Kulturwandels und Auswirkung von Kolonialismus und Kapitalismus auf traditionelle Lebensweisen praegen diese Ebene des Buches. Die c. ethnologische Reflexion beschraenkt sich nicht auf die beobachteten Gesellschaften, er plaediert kulturrelativistisch dafuer, in der " eigenen" Gesellschaft- " zu Hause"- kritisch zu sein, die Gegensaetze zwischen Verstehen und Veraenderung wahrzunehmen. Die Ethnologie koenne, solle aber nicht eingreifen. Mit dem Beruf des Ethnographen verbindet er die Entwicklung eines theoretischen Modells der Gesellschaft, mit starker Anlehnung an Rousseau. Strukturen in sozialen Beziehungen und Kunst werden gesucht. Er stellt die Motive in Paaren gegenueber, wie Abstraktion & Darstellung, Symmetrie & Assymetrie, etc. " Der Ansatz besteht ungefaehr darin: Was wir ueber die Auszenwelt wissen, erfahren wir durch unsere Sinne. Die Eigenschaften der Phaenomene, die wir wahrnehmen, beruhen auf der Wirkungsweise unserer Sinne und auf der Organisation des menschlichen Gehirns, das die Auszenreize, welche ihm eingegeben werden, ordnet und interpretiert. Ein wichitges Charakteristikum dieses Ordnungsprozesses ist der Umstand, dasz wir dabei die Kontinuitaeten von Raum und Zeit, die uns umgeben, in Abschnitte teilen, so dasz wir praedisponiert sind, unsere raeumliche Umgebung als eine riesige Ansammlung einzelner Dinge zu betrachten, die in bestimmten Klassen geordnet sind, und den Fortgang der Zeit als Folge einzelner Ereignisse sehen. Wenn wir als Menschen kuenstliche Dinge ( Artefakte aller Art) hervorbringen, Zeremonien ersinnen oder die Geschichte der Vergangenheit schreiben, dann ahmen wir entsprechend unsere Wahrnehmung der Natur nach: Die Produkte unserer Kultur sind ebenso geteilt und geordnet, wie wir uns die Produkte der Natur eingeteilt und geordnet vorstellen" ( CLSzE: 23). Die Gesamtheit der menschlichen Produktion hat einen Stil, bildet ein begrenztes System, aus dem die Menschen niemals etwas absolut Neues schaffen, sondern Vorhandenes auswaehlen. Man soll das Urspruengliche vom Kuenstlichen scheiden.
4. Saussure, Ferdinand: Er untersucht das Gegensatzpaar la langue - la parole. La langue ist die Sprache, die Grammatik, der Kontext, la parole ist Wort, Stimme, Tonfall der Sprache. Jedes Wort stellt auch ein sprachliches Zeichen dar, wie " Vater" ein bestimmtes Klangbild fuer Zuhoerer transportiert, und ist mit einem Konzept verbunden. Die Lautfolge Vater ist auch ein System: Die Vorstellungen, die mit " Vater" verbunden sind, bilden ein soziologisches Verwandtschaftssystem.
5. Leach, Edmund: Struktur sei wie eine Partitur, eine Ursache oder Geistursprung. Die Realitaet entsteht aber durch Veraenderung der Struktur, durch Transformation. Die Struktur eines Gesellschaftssystems steht dem realen Geschehen in einem kulturellen System gegenueber.
6. Dumont, Louis: Theorie der sozialen Integration ( SPLI: 147ff.)
7. Sahlins, Marshall: Publikation " Islands of History". Er untersucht das Verhaeltnis zwischen Struktur und Ereignis, wie Gesellschaft und Individuen interagieren. Das Eine kann nicht auf das Andere reduziert werden, einzigartige Umstaende fuehren zu charakteristischen Merkmalen, erabeiten der Struktur im Einzelfall. Als synkretistisches Beispiel nennt er, dasz Imperialismus zwar viel zerstoert hat, aber kulturelles Selbstbewusztsein trotzdem bei Inuit, Maori oder Baruya vorhanden sei. Baruya hatten bis in die 60er Jahre kein Metall zur Verfuegung, wanderten in den 70er Jahren ab. Viele Baruya leben heutzutage in der Stadt, entwickelten in den 80er Jahren ein neues Selbstbewusztsein. Formen der Rueckbesinnung, Wiedererschaffung lebten auf, eine Wiedererfindung der Traditionen setzte ein, die oft komplementaer zu kolonialen Bedingungen stehen.
8. Comaroff, John L.: Begriff " triadisches Feld"
#4 Politische Anthropologie ( SPLI: 157)
Die klassische, politische, Anthropologie wurde in den 40er Jahren gebildet. Politik und Macht, von Menschen und sozialen Strukturen, sind miteinander verbunden. Praevention von Gesetzlosigkeit und Unsicherheit, Gesetze und Ordnung einer Gesellschaft, die Rechte einer Person, deren Konflikte und soziale Integration, sind wesentlich fuer Entscheidungsfindungsprozesse. Politische Institutionen sind auch soziale Institutionen. In Gesellschaften ohne Staat, also akephalen Sozietaeten, korrelieren Politik und Macht oft mit Verwandtschaft und Religion, dies kann also nicht isoliert betrachtet werden. Da es kein Parlament gibt, musz der Forscher nach politischen Entscheidungsfindungsprozessen suchen und fragen: Wer macht sie? Welche Gesetze und Normen gibt es? Welche Sanktionen? Wie werden Konflikte geregelt, obwohl es keine Gesetzestexte gibt? Wie wird strukturelle Stabilitaet geschaffen? Normen sind oft nicht aufgeschrieben, es gibt also kaum Gesetzestexte. Daher musz das tradierte Recht gesucht werden, das Gewohnheitsrecht, das Konflikte regelt, Weiderechte bestimmt, Zugang zu Wasser oder anderen Ressourcen. Wieso bilden akephale Gesellschaften trotz fehlender, zentraler, Autoritaet eine Einheit? Wieso leben diese Menschen friedlich? Wieso gibt es keine zentrale Autoritaet? In welcher Beziehung stehen Gesellschaft und lokale Kommunitaeten? Wieso gibt es Widerstand gegen staatliche Systeme, in Bezug zu Gewohnheitsrecht ( Antwort: eben deswegen)? Themen der politischen Anthropologie sind die Veraenderungen der strukturell stabilen Gesellschaften durch staatliche Institutionen, wie zB Nuer oder Yanomami, die oft stabiler sind, als die in Europa.
Zwei Perspektiven:
1.Systemische Perspektive: Wie ist die gesellschaftliche System aufgebaut? Wie funktioniert die Integration der gesellschaftlichen Bereiche?
2.Perspektive der Akteure: Welche Strategien werden entwickelt, um Interessen durchsetzen zu koennen? Wer uebt welche Strategien aus?
Zu Macht und Wahl schreibt Weber, Max in " Wirtschaft und Gesellschaft" ( 1922): " Macht bedeutet jede Chance innerhalb sozialer Beziehungen den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht." Menschen waehlen, wenn sie die Moeglichkeit dazu haben. Macht und Kultur aus einem analytischen Blickwinkel betrachtet, stellt sich die Frage nach dem Wie und Warum Macht funktioniert. Macht will staendig verteidigt werden. Macht setzt Duldung voraus, Fuegsamkeit unter eine Autoritaeten, Gehorsamkeit fuer einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen. Die Wahlfreiheit der Akteure ist oft eingeschraenkt, zB im Kapitalismus kann ohne Geld nicht an der Boerse spekultiert werden, in manchen Gesellschaften werden politische Aemter vererbt. Macht und Machtlosigkeit der muted groups, ein Begriff Eriksens ( SPLI: 157ff.), haben keine Kommunikationskanaele. Nach Foucault, Michel haben Machtlose keinen Zugang zu Informationskanaelen, sie werden durch einen dominanten Diskurs, wie Alltagssprache die Welt strukturiert und Wertvorstellungen bestaetigt, unterworfen.
Macht in der Gesellschaft existiert:
1. Auf der Ebene der Entscheidungsfindungsprozesse: Wie kommen diese zustande?
2. Auf der Ebene der Nicht- Entscheidungen: Diskussion, aber keine Adaption erfolgt.
3. Auf der Ebene der muted groups erreichen Interessen nie die Ebene des Vorhandenen, Menschen werden nicht in Entscheidungen einbezogen. Ohne Verfassung entwickeln die Betroffenen jedoch trotzdem eigene Strategien, um mehr Kontrolle ueber das eigene Leben zu haben.
Scott, James C. schreibt in " Weapons of the Weak ( 1987)" ueber das Verstellen, das Verheimlichen, Sabotage und informelle Netzwerke.
Melanesien/ Polynesien
Godelier, Maurice: Die Produktion der groszen Maenner. ( 1987)
Sahlins, Marshall: Poor man, rich man, big man, chief. ( 1963)
Melanesien- Big Man
Melanesien weist eine grosze Anzahl an Sprachen und Kulturen auf. Die traditionelle melanesische gesellschaft verbindet Verwandtschaft, die Allianzen ueber die Dorfebene hinaus aufweist. Die politische Integration auf Dorfebene sind Entscheidungsprozesse und Beschluesze, die von einem Big Man als gutem Redner verantwortet wird. Der Big Man hat seine Position aufgrund seiner persoenlichen Errungenschaften erlangt, er wurde nicht gewaehlt. Der Big Man versucht auf allen Ebenen der Entscheidungen in einem Dorf dominant zu sein, er ist ein guter Krieger mit Besitz. Er loest Konflikte und leitet die kriegerischen Unternehmen der Dorfgemeinschaft. Wettstreit zwischen Maennern, die Big Man sein wollen, Kampf um Vorherrschaft, Macht und Respekt koennen durch Heiratspolitik ausgeweitet werden. Grosze Verwandtschaft bedeutet Unterstuetzung, der Austausch von Geschenken in einm groszen Personenkreis verpflichtet zur Groszzuegigkeit, die die Fuehrungsrolle unter Beweis stellt. Gueter werden ohne koerperliche Gewalt umverteilt, der Big Man hat diesbezueglich keine Befehlsgewalt und keinen Anspruch auf Abgaben. Seine gute Verhandlungsfaehigkeit setzt er in Gabenverteilung und Heiratsvermittlung ein, die er erwirken kann. Wenn ein Big Man stirbt, entsteht ein Machtvakuum, weil seine Funktion in der Gesellschaft nicht vererbbar ist.
Ausnahme: Baruya- Great Man
Baruya sind eine kleine Gesellschaft mit ungefaehr siebzehn Doerfern in Neuguinea, 1951 " entdeckt". Um 1960 wurde die akephale Gesellschaft der Baruya brutal in die australische Verwaltung integriert. Diese patrilinearen, patrilokalen, Lineages, weisen eine eindeutige Geschlechterhierarchie der Maenner auf. Frauen werden von Entscheidungprozessen ausgeschlossen, sie haben keinen Besitz. Der Boden ist " maennliches" Gemeinschaftseigentum, Subsistenz ist Brandrodungsfeldbau, Schweinezucht und Salz aus Pflanzen. Die Salzproduktion inkludiert Frauen nicht, sie haben auch keine sakralen Maechte. Der Great Man ist eine ererbbare und erworbene Funktion, mehrere Great Man haben bestimmte Funktionen in der Gesellschaft. Great Man sind mutig, grosze Krieger, also a o u l a t t a . Sie sind die " oberste" Schicht, dann folgen die Jaeger, dann Schamanen, dann die Salzmacher. Salzmacher gehoeren zur Gruppe der Wissenden, eine Akkumulation von Positionen der Great Man ist nicht vorhanden.
Frauen koennen Heilerinnen sein, haben aber keine Erlaubnis- unter Todesstrafe- mit mythischen Kraeften in Kontakt zu treten. Sie duerfen als Kriegerin ihre Maenner raechen. Die Heilerin ist hoeher gestellt als die Kriegerin.
Godelier, Maurice denkt, dasz die Unterdrueckung der Frauen funktioniert, weil Frauen der Macht der Maenner zustimmen. Matthieu, N. C. betrachtet diesen Zustand als Gewalt.
Polynesien
Die polynesischen Gesellschaften weisen eine zentrale Instanz auf. Eine koenigliche Lineage stellt den Chief, also Stammesfuehrer, der durch Macht von " oben" eingesetzt wird. Die Chiefs duerfen Abgaben anderer Lineages einheben, der " surplus" musz an die aristokratische Linie abgegeben werden. Die Position des Chief ist ohne Wettstreit ererbbar, er musz keine Gueter umverteilen. Der Chief darf koerperliche Gewalt anwenden, Gueter einfordern und Befehle erteilen. DIe aristokratische Familie, die den besten Kontakt zu Ahnen hat, darf nicht zu viele Abgaben verlangen, sonst revoltieren die Untergebenen. In einer Region leben manchmal mehrere Lineages, Lineages sind aber auch ueber mehrere Regionen verteilt. Clans leben als Kinship Group zusammen.
African Political Systems
Fortes, Meyer & Evans- Pritchard, Edward forschten in der ersten Haelfte des 20. Jahrhunderts ( um 1940 publiziert?) zur Thematik des politischen Handelns in akephalen Gesellschaften, das davor geleugnet wurde. Vorstaatliche Organisationen sind segmentaere Gesellschaften.
Das Koenigreich der Zulu in Suedafrika
Das politische System der Bemba in Ostafrika
Die Kede in Nordnigeria
Das politische System der Tallensi in Westafrika
Die Nuer im Suedsudan
1 Titel fehlt
2 Kategorien
Gruppe A besitzt einen administrativen Apparat, juridische Institutionen, Reichtum korrespondiert mit Macht und Autoritaet. Beispiel: Zulu.
Gruppe B ist eine Gesellschaft ohne zentralisierte Autoritaet, und der administrative Apparat fehlt. Der Rahmen fuer das politische System basiert auf Kinship, also Verwandtschaft. So auch die Rechtsordnung. Beispiel: Ein segmentiertes Lineage System.
Man kann sagen, dasz staatenlose Gesellschaften, deren Organisation auf einem Lineagesystem basiert, in der Groesze, also Population, limitiert sind ( Pax). Gesellschaften mit staatlicher Organisation tendieren dazu, groeszer zu sein, deren Limit haengt von der zentralisierten Administration ab. Der Lebenserwerb, ob Fischfang, Viehzucht oder Ackerbau spielen dabei keine Rolle. Die Forschung Fortes und Evans- Pritchard bei der Gesellschaft der Tallensi erstreckte sich auf eine inhomogene Kultur mit tausenden Personen ohne territoriale Grenzen. Tallensi sprechen mehrere Dialekte, die sozialen Beziehungen sind heterogen, es gibt keinen zentralen Staat oder eine Vereinigung aller. Die soziale Struktur wird von Verwandtschaft gepraegt, die in Lineages und Clans den Status von Rechten und Pflichten ableitet. Ein patrilokaler, patrilinearer Clan besteht aus zwei oder mehreren Lineages. Das Lineageoberhaupt ist umso maechtiger, je aelter und groeszer die Lineage ist. Daraus folgen Status und Respekt, Gewalt und Abgaben werden nicht verlangt, aber eine rituelle und moralische Autoritaet ist vorhanden. Konflikte werden durch Mediatoren geschlichtet, und die Clanmitglieder zeigen in ritueller, netzwerkartiger Zusammenarbeit Solidaritaet. In jede Transaktion wird das Oberhaupt miteinbezogen, die Gruppe trifft Entscheidungen zusammen. Das Oberhaupt traegt die Verantwortung fuer den Schrein der Ahnen, der wichtig fuer das Geschehen auf der Erde ist. Er ist nicht nur in moralischer, sondern auch in oekonomischer Sicht, wichtig. Er ist der Waechter des Schreins, verdient besonderen Respekt, aufgrund fast priesterlichen Status. Als Anerkennung seines Status hat er das Recht Tiere einzusammeln und zu opfern, Fleisch wird ihm geschenkt. Die britische Administration zerstoerte dieses Gleichgewicht, indem die Chiefs zur Adminstration herangezogen, und zur Arbeit verpflichtet wurden.
The Early State
Claessen, Henri & Skalnik, Peter: The Early State. ( 1978 The Hague): Einundzwanzig fruehe, unabhaengige Staaten wurden untersucht, soziopolitische Organisationen auf begrenztem Territorium und Regierungszentrum. Diese Klassengesellschaften bildeten Schichten der Herrscher und Beherrschten.
7 Kriterien sind dem " Early State" eigen:
1. Ausreichende Population, um soziale Organisation, Stratifikation und Spezialisierung moeglich zu machen.
2. Die Staatsbuergerschaft/ Zugehoerigkeit ist determiniert durch Residenz und Geburt in diesem Territorium.
3. Die Regierung ist zentralisiert und hat die noetige Macht Gesetz und Ordnung mittels Autoritaet und Gewalt/ Gewaltandrohung aufrecht zu erhalten.
4. Der Staat ist, wenigstens de facto, unabhaengig, und die Regierung hat genug Macht Separation zu verhindern, sowie den Staat nach auszen zu verteidigen.
5. Die Population ist ausreichend stratifiziert, um unterscheidbare soziale Klassen zu bilden, wie Herrscher und Beherrschte.
6. Die Produktion der Gueter ist so hoch und im Ueberflusz, dasz Steuern und Tribute eingehoben werden koennen.
7. Existenz einer Ideologie, auf der die Legitimitaet der/ des Herrschenden/ des Herrschens basiert.
3 Typen charakterisieren den Early State:
1. The inchoate type: " Inchoate" soll den anfaenglich, rudimentaeren Typ bezeichnen. Beziehungen werden durch Verwandtschaft und Familie bestimmt, auch im Bereich der Politik. Wenig hauptberufliche Spezialisten, keine regulaeren oder fixierten Abgaben, also ad- hoc Besteuerungen, direkte, reziproke Kontakte zwischen Herrschern und Beherrschten, charakterisieren diesen Typus. Beispiel: Thaiti, Hawaii.
2. The typical type: Beziehungen, die von Lokalitaet oder Nachbarschaft gepraegt sind, und Verwandtschaftsbeziehungen, halten Balance. Ernannte, oder durch Erbe gewordene, Beamte und Wuerdentraeger nehmen wichtige Positionen in der Verwaltung ein, eigene Leistung und Wettbewerb werden evaluiert. Redistributive Institutionen regeln Austausch und Umverteilung im sozialen und oekonomischen Netz. Beispiel: Inka, Skythen, Altaegypten.
3. The transitional type: Ein administrativer Apparat wird von ernannten Beamten bestimmt, Verwandtschaftsbeziehungen spielen nur noch eine marginale Rolle. Privateigentum, in Form von Land oder Vieh, foerdern eine Heranbildung einer Klassengesellschaft mit Marktwirtschaft. Die Stratifikation schreibt eine Zugehoerigkeit zu verschiedenen Gesellschaftstypen fest. Beispiel: China, Azteken.
Folgende Faktoren stellen ein Modell dar, das die Entstehung von Staaten erklaert: Das Bevoelkerungswachstum hat direkten Einflusz auf die Entwicklung von komplexer Organisation, Krieg und Eroberungen koennen eine Rolle spielen, muessen es aber nicht, bereits existierende Staaten koennen entscheidende Stimuli abgeben. Handel und Markt ist in allen fruehen Staaten vorhanden, haben aber geringe Rolle. Kolonialisierung ist auch wichtig, ein gemeinsames Merkmal ist die Machtausuebung, ausschlaggebend die Teilung in Herrscher und Beherrschte. Ideologien legitimieren und definieren Macht. Wachsende wirtschaftliche und technische Entwicklung ermoeglicht weitraeumigen Handel. Wittfogel, Karl A. erstellte das wissenschaftliche Konzept der Bewaesserungstheorie, in dem die Entwicklung von Bewaesserungsanlagen ausschlaggebend fuer die Entwicklung von Staaten sei. Beispiel: Mesopotamien- Euphrat- Tigris- erste Stadt " Ur".
#5 Religionsethnologie
EthnologInnen wurden oft stark von ihren eigene religioesen Vorstellungen beeinfluszt. Das Konzept Heidentum wurde in alten Texten fuer nichtchristliche Religionen, Praktiken oder oeffentliche Rituale verwendet. Das Konzept Aberglaube soll Erscheinungen beschreiben, wo unsichtbare Verbindungen charakterisiert wurden. Die Disposition Aberglaube- Heidentum, Religion- Wissen wurde von einer Wissenschaft geschaffen, die Religion noch als Autoritaet betrachtete. Religion bedeutet Formen des sozialen Glaubens an uebernatuerliche Kraefte, die oeffentlich sind, auch oeffentliche Rituale. Wissen bedeutet heute Fakten, derer Menschen sich bewuszt sind, dasz sie einen sozialen Ursprung haben. Nicht alle EthnologInnen stimmen zu!
Die Defintionen der Anthropologie der Religionen:
1. Tylor, Edward: " The Science of Culture" ( In: Readings in Anthropology, NY, 1871). Er denkt, dasz Religion der Glaube an uebernatuerliche Wesen ist. Aber: Was ist uebernatuerlich? Was bedeutet dies in einer Gesellschaft?
2. Durkheim, Emile: " Die elementaren Formen des religioesen Lebens" ( 1912). In jeder Gesellschaft wird zwischen Profanem und Heiligen unterschieden. Rituale und kollektive Repraesentation ermoeglichen Integration und Solidaritaet, wie auch die Vorbereitung von Festen, die ein ganzes Netzwerk von Menschen einbinden. Die funktionalistische Sichtweise besagt, dasz " Religion at its most compound level means society´s worship of itself". Religion ist ein Begriffssystem mithilfe dessen die Menschen Gesellschaft vorstellen. Aber: Wieso glauben manche Menschen an Ahnengeister, Waldgeister, etc.?
3. Geertz, Clifford: " The interpretation of culture" ( NY 1973). Religion ist ein kulturelles System, ein System von Symbolen, Haltungen/ Stimmungen und Motivationen, vereinigt Konzepte einer generellen Ordnung der Existenz, einghuellt in die Aura von Tatsachen mit uebernatuerlichen Konzepten. Die soziale Funktion der Religion hilft Sinn in der Welt zu sehen. Wie tut sie dies? Welche Bedeutung hat Religion feur die menschliche Existenz? Welchen Sinn? Geertz beschaeftigt sich vor allem mit der interpretativen Seite, der Auslegung.
4. Evans- Pritchard, E. E.: " Nuer Religion" ( 1957). Der sehr einfluszreiche " approach" des Evans- Pritchard vergleicht das Glaubenssystem der Hirtennomaden mit anderen Religionen, aber auch die Verbindung von Sozialformen und Religion, politischer Organisation, der segmentaeren, patrilinearen Gesellschaft der Nuer.
Schriftreligionen
Der Terminus Schrift- oder Buchreligionen wird fuer Glaubensysteme mit heiligem Text verwendet, wie zB der Koran, eine Sammlung von heiligen Texten, oder die Bibel. Von Glaeubigen werden minimale Kenntnisse dieser Texte erwartet. Religion ist mit dem heiligen Text verbunden, und nicht mit dem kulturellen Kontext, und kann daher auf der ganzen Welt gleich verbreitet werden. Monotheistische Schriftreligionen haben ihren Ursprung in Westasien, sie sind Glaubenssysteme zu denen man konvertieren kann, und wirken affirmativ, das heiszt ein Bekenntnis ist moeglich. Diese Religionen werden exklusive Religionen genannt, weil sie keinen Synkretismus akzeptieren. Also keine Abweichungen, Rekreation oder Erneuerung von Einzelnen, auch keine Kombination mit anderen Religionen. Asiatische Schriftreligionen haben eine fixe Doktrin, aber flexiblere Praktiken, bestehen also nicht so sehr auf die Befolgung von Texten.
Oralreligionen
a. Sind lokal definiert und lokal gebunden. Missionare sahen irrtuemlich eine Form des Animismus in der Verehrung eines beispielsweise heiligen Berges.
b. Eingebettet in soziale Praktiken der Gesellschaft. Soziale Praktiken werden bei Schriftreligionen durch soziale Institutionen getragen.
c. Weisen Arbeitsteilung auf. Eine der ersten Funktionen in differenzierten Gesellschaften ist der Priester, die Priesterin, oder Schamanen. Durch Trance wird Kontakt mit der geistigen Sphaere aufgenommen, zB auch bei Baruya in akephaler Gesellschaft.
Schamanismus
shaman: Tungusisch ( Altai Sprachen Ostsibiriens) fuer " der aus der Fassung ist"
Zwei charakteristische Techniken:
1. Ekstase
2. Besessenheit durch Geister
Der Schamane hat eine priesterliche Funktion in einer sozial anerkannten Rolle, er besitzt uebernatuerliche Kraefte. Die Mitglieder der Gemeinschaft nehmen durch den/ die SchamanIn Kontakt mit Goettern und Geistern auf, damit boese Geister bezwungen werden, Heilung und Wissen erlangt werden kann. SchamanInnen sind die Hueter des Wissens, Mittler zwischen realer und jenseitiger Welt, berufen durch Traum und Vision, oder haben diese Position ererbt. Sie sind Auserwaehlte, die eine Lehrzeit hinter sich bringen muessen. Nicht jeder Medizinmann oder Zauberer einer Gesellschaft ist ein/e SchamanIn, der Unterschied liegt im Bewusztsein, denn der/ die SchamanIn hat einen " begeisterten Koerper" und dient sozialem Wohl und Gleichgewicht der Gesellschaft, er/ sie hat vor allem in akephalen Gesellschaften grosze Bedeutung. Der/ Die VermittlerIn und HeilerIn hat lokale Relevanz, ein Dogma fehlt, wie es in Schriftreligionen der Fall ist. Beispiel: Fischfangritual in Portugal parallel zu christlichen Dogmen, Wundbesprechung durch Abakadabra im Burgenland als Teil der Volksreligion.
Redfield, Robert spricht von Little & Great Traditions: Little traditions sind die Volksreligionen, great traditions die offiziellen, dogmatischen. Great traditions sind schwierig zu finden. ZB: Im Brahmanischer Hinduismus pflegt die Priesterschicht " great traditions", die " niederen" Kasten haben eigene Rituale, die auf oraler Tradition basieren, und koexistieren. Sufi lesen ist Teil der islamischen Volksreligion.
Tod/ Ahnenkulte
Ahnenkultue sind eine Sparte der Oralreligionen, die meisten Gesellschaften haben Vorstellungen des Lebens nach dem Tod. Oralreligionen sind in den Vorstellungen bezueglich des Jenseits zumeist direkter, das auszert sich durch zB Grabbeigaben. Ahnenkulte schenken Ahnen und den Geistern der Ahnen grosze Aufmerksamkeit. Das Leben nach dem Tod stellt meist eine idealisierte Version des Hier und Jetzt dar. Die Kontinuitaet und Stabilitaet der Gesellschaft wird durch den Respekt fuer deren Wertvorstellungen und Praktiken gewaehrleistet. Beispiel: Sami, Kaguru. Kopytoff´s " Ancestors as Elders in Africa ( 1971)": Lebende werden umso weiser, je aelter sie werden, deswegen ist der Tod nur eine graduelle Transition. In Bulgarien erhalten Kinder die Namen ihrer Groszeltern, Erinnerung und Weiterleben des Respekts vor den Alten stabilisiert die Gesellschaft. In Afrika folgen die Lebenden den Wertvorstellungen der Ahnen, verwenden deren Praktiken und ueberwinden so diverse Krisen.
Ritual
Der soziale Aspekt von Religion, Rituale sind Religion in Praxis. Rituale sind konkreter Ausdruck der Vorstellungen in regelgebundenen, oeffentlichen Events. Sie thematisieren Beziehungen zwischen realer und jenseitiger Welt. Rituale legitimieren Macht und sorgen fuer die soziale und politische Integration der Gruppe. Nicht nur Ideologien werden in Ritualen transportiert, sondern auch die eigene Rolle in der Gesellschaft kann reflektiert werden. Das Ritual ist eine Synthese von verschiedenen wichtigen Bereichen, naemlich der symbolischen, sozialen, individuellen und produktiven Realitaet. Worte, Gesten, Objekte als Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhaeltnisse sind genau festgelegt. Beispiel: Ein Trauerzug hat eine bestimmte Ordnung, Rangordnungen der Gaeste sind erkennbar. Riten begleiten den Menschen von Geburt, zu Pubertaet, bis zum Tod.
Van Gennep, Arnold ( 1873- 1957): " Les Rites de Passage" / ( SPLI: 209) , ein wichtiges Werk zur Thematik der Uebergangsriten, entstand 1909. 3 Stufen werden beschrieben:
1. Separation bezeichnet die Trennung des Individuums von seiner frueheren Stellung, vom alltaeglichen Leben, das heiszt der Initiand wird symbolisch und koerperlich von seiner Position in das zweite Stadium des Ritus eingefuehrt.
2. Das zweite Stadium ist das Uebergangsstadium, oder Liminalitaet. Das Nichtmehr oder Nochnicht, der Ausnahmezustand als gefaehrliche und schwierige Erfahrung dient dazu, sich vom alten Status zu reinigen und die Bereitschaft fuer den neuen zu erwerben.
3. Reintegration bedeutet die Wiederaufnahme in die Gesellschaft in einer neuen, veraenderten und bestimmten Position.
#6 Kultur
Sammlung an Definitionen von Kroeber, Alfred & Kluckhon, Clyde: " Culture." ( 1952). Kultur ist nicht nur ein wissenschaftliches Konzept und somit Gegenstand der Wissenschaft, sondern dient auch als Erklaerungsversuch menschlicher Existenz. Der Begriff stand auch als Synonym fuer Zivilisation und Ethnie ( 19. Jh.), Bildung. Colere: Lateinisch fuer " pflegen", aber auch " bebauen".
1. Zweckrationale Definitionen: Kultur wird dabei weitgehend als Hochkultur betrachtet, die bestimmten Gesetzmaeszigkeiten folgt.
2. Wertrationale Definitionen: Kultur ist etwas Umfassendes, Be- Deutungen und Handlungen der Menschen.
Kulturtheorien
Historische Definitionen: Tylor, Edward ( 1832- 1917) schreibt in " Primitive Culture" ( 1871): " Kultur ist jenes komplexes Ganze, welches Wissen, Glauben, Kunst, Macht, Moral, Recht, Sitte und Brauch und alle anderen Faehigkeiten und Gewohnheiten einschlieszt, welche der Mensch als Mitglied der Gesellschaft erworben hat."
Kultur ist etwas Erlerntes. Manche historische Definitionen unterscheiden auch zwischen Kultur und Kulturen.
Strukturelle Definitionen: Beer ( 2002) schreibt " Kultur wird als System, organisatorisches Prinzip oder Konfiguration beschrieben. Diese Definitionen betonen, dass Kultur eine Abstraktion, ein konzeptuelles Modell sei, das beobachtbares Verhalten interpretiere, aber damit nicht gleichzusetzen sei."
Wie kann Kultur untersucht werden?
Materialistische Definitionen: Im Mittelpunkt stehen die Menschen in ihrem Habitat. Die Gesamtheit der Ergologie und Technologie, Institutionen, Kognition und Interaktion. Organisation, Funktion und Lebensweise von Gesellschaften, beobachtbares Verhalten, werden miteinbezogen.
Mentalistische Definitionen:
a. Im symbolischen Kontext ( Geertz, Dumont): Symbole sind kulturelle Ausdrucksformen, die in Handlungen, Objekten oder Sprache gefunden werden koennen. Untersucht wird der soziale Kontext der aufgefundenen Symbole.
b. Universale Strukturen ( Levi- Strauss): Die universalen Strukturen von Symbolsystemen werden untersucht. Kultur besteht aus Regeln.
c. Der Kontext des kulturellen Wissens ( Goodenough): Zentrum des Interesses ist das kulturelle Wissen. Wie wird dieses weitergegeben? Wie produziert?
Benedict, Ruth schreibt in " Patterns of Culture" ( 1934), dasz apollinische Verhaltensmuster auf Tradition aufbaut, und dionysische sich an Empfinden, Bejahung, Lebenslust orientierten. ( rf. Apollo und Dionysos). " Patterns of Culture" war ein Bestseller des Fachs.
Daraus ergibt sich:
Kulturelles Verhalten ist erlerntes Verhalten.
Kultur ist ueberindividuell, auf gesellschaftliche Gruppen bezogen, weil sie von mehreren geteilt wird.
Jede Kultur ist historisch entstanden und veraendert sich permanent.
Kultur ist ein Ganzes, bezueglich der Forschungsansaetze eine Struktur, Ordnung, System, Muster oder Bedeutungsgewebe.
Die Begrenzungen dieses Ganzen sind nicht eindeutig und fluktuativ.
Kultur ist eine Abstraktion.
Kultur ist nicht homogen und entwickelt Transformationen.
#7 Weltsystemtheorien
Die Dependenztheorien der sechziger und siebziger Jahre sprachen von den Auswirkungen asymetrischer Strukturen zwischen entwickelten Zentren und unterentwickelten Peripherien. Der Kern dieser Theorie besagt, dasz Ende des 15. Jahrhunderts ein tiefgreifender Bruch in den Wirtschaften der Nationen stattfand, und seitdem eine permanente Intensivierung der Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie erfolgt(e).
Wallerstein, Immanuel ( 1930) analysierte die Entstehung des Kapitalismus in Europa, und meint, dasz die Transformationen durch externe oekonomische Rahmenbedingungen, naemlich Fernhandel, " Eroberungen", Ausbeutung der Kolonien, Etablierung einer internationalen Arbeitsteilung, Bildung der Nationalstaaten, geschaffen wurden, und nicht geistige oder soziale Antriebe verantwortlich dafuer waren. Beispiel: Ressourcentransfer aus Asien/ Afrika nach Europa. Anhand der Kolonialgeschichte Afrikas entstand so das Modell des " Modernen Welt- Systems", welches in einem dreibaendigen Werk veroeffentlicht wurde. Seine Arbeit bezog sich auf drei zugrunde liegende Bereiche, naemlich den Marxismus, die franzoesische Annales- Schule/ Braudel ( ), und die Dependenztheorien. Es gibt, nach diesem Konzept, seit dem " langen 16. Jahrhundert" nur ein Weltsystem, und es existiert bis heute in drei Raeumen. " Diese Zonen sind von zentraler Bedeutung fuer die Entwicklung, da die Position eines Staates oder einen sozialen Gruppe innerhalb dieser Zonen die entscheidende Determinante des internen politischen Geschehens in diesem Staat bzw. in dieser Einheit darstellt." ( Antweiler, Christoph: Alle Entwicklung ist eingebettet im kapitalistischen Welt- System):
1. Zentrum ( core): NL ( 1650), GB ( 1825- 1875), USA ( seit 1945), auch F und P ( die core states). In den Zentren befinden sich Institutionen, politische Ideen und Technologien werden dort entwickelt. Zwischen diesen Staaten herrscht Konkurrenz mit hegemonialen Anspruechen.
2. Semi- Peripherie: Pufferzonen, zB Russland
3. Peripherie: Im 17. Jh. Osteuropa, Nordamerika, Lateinamerika, Afrika.
Das Weltsystem hat Auszenzonen, die eine oekonomische Einheit bilden, keine politische. Globale Handelsnetze, die naturgemaesz ueber staatliche Grenzen hinweg reichen, basieren auf ebenso globaler Arbeitsteilung. Hauptmotiv dieser Aktivitaeten ist die Akkumulation von Kapital. Konkurrenz und Krisen fuehren zu Transformationen des " modern capitalist world- system".
Charakteristika des Modernen Weltsystems:
1. Das Welt- System ist eine oekonomische Einheit, aber keine politische.
2. Globale Arbeitsteilung in Handelsnetzen.
3. Unbegrenzte Akkumulation von Kapital, das zu Konkurrenz fuehrt.
4. Expansion der Wirtschaft auf noch nicht integrierte Wirtschaften
5. Ungleich entwickelte Subsysteme des einen Welt- Systems, Position von Elementen, zB Staaten, aendert sich.
6. Krisen im world- system fuehren zu Transformation.
7. " Antisystemische Bewegungen" sind eine normale Komponente des Welt- Systems.
Siehe auch: Antweiler, Christoph:
http://www.inwent.org/E+Z/1997-2002/ez999-4.htm
Kritik an Wallersteins Modell: Ausfuehrungen historisch ungenau, eurozentristischer Blickwinkel, Kernbegriffe, wie zB Kultur, nicht genau definiert. Frank, Andre und Gills, B. in " The World System. 500 Years or 5000." ( 1993) monieren, dasz die eurozentristische Sichtweise die Rolle Europas erheblich ueberschaetzt. Das Weltsystem ist schon 5000 Jahre alt, Kapital sei in Asien viel mehr angehaeuft worden. Abu- Lughod, Janet in " Before European Hegemonie" ( 1989) stellt die Einzigartigkeit des modernen Weltsystems in Frage, denn es gab schon vorher welche, unabhaengig vom " Westen". Mintz, Sidney in " Die Susze Macht- Die Kulturgeschichte des Zuckers" ( 1987): Die Enstehung des Weltmarktes habe schon frueh begonnen, wobei Zucker eine wesentliche Rolle spielte. Zuckeranbau wurde langsam von Mittelmeerraum in den atlantischen Raum verlegt. Grosze Plantagen und Sklaven auf vielen Atlantikinseln verlagerten sich dann in die Karibik. Der Anbau und die Produktion funktionierte nur noch durch Anhebung der Zahl der Arbeitskraefte, die Plantagen muszten erweitert werden, ein Dreieckshandel entstand. Die Kolonien schickten Zucker, die " cores", wie GB, schickten Kleider und Werkzeuge, und Sklaven in die USA.
#8 Globalisierung
Beck, Ulrich " Perspektiven der Gesellschaft" ( 1998): Die oekonomische Globalisierung hat den Unternehme(r)n nicht nur Wirtschaftsmacht gebracht, sondern auch eine Position in der Gesellschaft. Durch Verbesserung der Technologien, der Information und Kommunikation, koennen Unternehmen schneller und gleichzeitig ebendiese austauschen. Globalisierung bedeutet Prozesse, in deren Folge die Souveraenitaet der Nationalstaaten durch transnationale Akteure mittels Netzwerken, Orientierungen und Identitaeten, umgangen wird.
Appadurai, Arjun und Hannerz, Ulf fanden in ihren Studien zu Transnationalismus, der frueher Finanztransaktionen beschrieb, das Identitaeten und Stroemungen von Kultur neu interpretiert werden sollen. Ideologien werden transnational entwickelt, die Widersprueche dabei bilden der EthnologInnen neues Feld, das neu konstruiert werden musz. MigrantInnen leben an mehreren Orten, das heiszt fuer EthnologInnen Netzwerke und eben diese zahlreichen Orte zu untersuchen, mehrere Kontinente, nicht mehr begrenzte Territorien oder bestimmte ethnische Gemeinschaften, sondern Prozesse in fuenf Stroemungen wie Landschaften:
Ethnoscapes
Ideoscapes
Mediascapes
Technoscapes
Financescapes
#9 Die Konstruktion des Anderen
Die Vorstellung des " guten Wilden" oder " edlen Wilden" , die von Imagination und Phantasie abhing, wurde im 16. und 17. Jahrhundert entwickelt. Erzaehlungen der Reisenden entsprachen nicht der Realitaet, der Traum des " reinen Naturzustandes" beherrschte den Diskurs ueber die " Anderen". Die Idealisierung des " Naturzustandes" der Aufklaerung stellt auch den Kulturzustand verfaelscht dar, als die Suche nach dem " Natuerlichen" und " Unverfaelschten" Eingang in eurozentristische Philosophie nahm. Der " bon sauvage" stand fuer Harmonie, Unschuld der Voelker und friedliches Zusammenleben als Gegensatz zur buergerlich- moralischen, europaeischen Gesellschaft.
Jean J. Rousseau aber schrieb ueber die Ungleichheit der Menschen, dessen Ursprung der " homme naturel" sei. Er dachte, dasz zB Metallerzeugung und andere kulturelle Errungenschaften aufgrund auszeren Einfluszes entstanden. Sein Werk, so auch der " Contract Social" ( 1762), galt als Maszstab aller Dinge. Dieses eurozentristische Weltbild bekaempfte alles Fremde, ist daher eine Form des Ethnozentrismus. Im 18. Jahrhundert fuehrte der Drang nach Glueckseligkeit zur Flucht der Forscher aus der buergerlichen Gesellschaft mit eingeengter Lebensweise. Ende des 19. Jahrhunderts ensteht die Begriffswelt der " primitven Gesellschaft": Die wissenschaftliche Stroemung des Evolutionismus und der " armchair anthropologists" postuliert die Entwicklung der Menschen von der " Wildheit" ueber zahlreiche Stufen der Entwicklung bis hin zur Zivilisation, als " hoechste Stufe" der menschlichen Gesellschaft. Einer der bedeutensten Vertreter war Lewis Henry Morgan, der mit seinem Werk " Ancient Society" ein Hauptwerk des Evolutionsmus schrieb. Der darauf folgende Diffusionismus widerspricht, indem eine " eigene" Entwicklung negiert wird, und postuliert, dasz religioese Vorstellungen oder materielle Errungenschaften " entliehen" und adaptiert wurden. Manche dieser Ideen wurden noch im 20. Jahrhundert in der Forschung verwendet. Natur und Kultur als anthropologischer Diskurs bildet zwei Konzepte:
1. Die auszere Natur, das Oekosystem.
2. Die innere Natur, die menschliche.
Kultur und Natur sind eng miteinander verbunden, sind voneinander zu unterscheiden. Kultur impliziert eine Transformation. Die Beziehung zwischen Natur und Kultur kann untersucht werden, indem a. die Praegung der Kultur durch Natur, oder b. das Konzept Natur in einer ausgewaehlten Gesellschaft diskutiert wird.
#10 Person und Gesellschaft
Die kleinste Einheit fuer die Gesellschaftsbildung ist die Interaktion zwischen mindestens zwei Personen. Alle Mitglieder einer Gesellschaft haben bestimmte, aber persoenlich divergierende, Rechte und Pflichten anderen Mitgliedern gegenueber, Interaktionen sind dabei oft ein Ausdruck sozialer Beziehungen. Durch den sozialen Status werden soziale Beziehungen bestimmt, jede Person kann davon verschiedene inne haben. Eine Person setzt sich also aus vielen Stati zusammen, wobei manchmal ein Status ueberwiegt und alle anderen sozialen Beziehungen praegt. Zugeschriebener Status bedeutet in einigen Gesellschaften der Beruf, wenn er beispielsweise in der Familie weitergegeben wird, dieser ist daher ohne Optionen. In kontemporaeren Gesellschaften ist die Vielzahl der Stati erworben, in traditionellen Soziaeteten zugeschrieben, ein Zustand, der als brauchbarer analytischer Ausgangspunkt dient. Die Rolle ist der dynamische Aspekt des Status, der Freiheiten und Zwaenge definiert. Beispiel: Beruf als Kellner oder Busfahrer.
#11 Literatur
Eriksen, Thomas H.: Small Places, Large Issues. 1995 ( Abkuerzung: SPLI)
Leach, Edmund: Claude Levi- Strauss zur Einfuehrung. 1998 ( Abkuerzung: CLSzE)
#12 Vorlesung Dr. Six- Hohenbalken, Wintersemester 2003/ 2004